Mannheimer Erklärung
goes Next Entrepreneurs

37 Schüler hatten Großes vor sich. In 3 Stunden sollten sie der Frage auf den Grund: Was kotzt euch in Mannheim an? Was fehlt euch in Mannheim? Alles in Bezug gesetzt mit den Werten und Zielen der Mannheimer Erklärung. Nicht viel Zeit für solch ein Vorhaben.

Wie sind wir vorgegangen?

Tatort: Gig7, Mannheim, 18.10.2019

Täter: Schüler der 8. und 9. Klasse der Gemeinschaftsschule Johannes Kepler in Mannheim

Mittäter: Mentoren mit Erfahrung aus StartUps

Instrumente: Papiere, Stifte, Leinwände und Methoden aus dem StartUp

Es geht los

Deswegen hielten wir die Begrüßung kurz. Denn wir wollten keine Zeit verlieren.

Es ist nicht so einfach, die Frage: Was kotzt euch an zu beantworten.

Denn wo fängt man da an? Bei sich, bei seinem Umfeld, bei der Welt? Anfangs scheint kein realer Gedanke zu erscheinen und wenig später können wir uns gar nicht vor Problemen retten.

• Ich mag früh nicht aufstehen.

• Ich weiß nicht, was ich anziehen soll.

• Mein Haustier ist alleine, wenn ich in der Schule bin.

Ich mag keine Hausaufgaben machen.

• Meine Eltern nerven.

• Schule ist langweilig.

• Bei uns gibt es in der Schule nur Doofes zu essen.

• Mobbing nervt.

• Dass man als Ausländer hier nicht arbeiten kann, wie man will.

• Der Müll ist überall.

Es hört gar nicht mehr auf.

Es wird ernst:

Deswegen hielten wir die Begrüßung kurz. Denn wir wollten keine Zeit verlieren.

Es ist nicht so einfach, die Frage: Was kotzt euch an zu beantworten. Was fehlt euch in Mannheim eher. Die Schüler lasen die ausgeteilten Blätter zu den Inhalten der Mannheimer Erklärung aufmerksam durch.

Doch wo fängt man da an? Bei sich, bei seinem Umfeld, bei der Welt? Anfangs scheint kein realer Gedanke zu erscheinen und wenig später können wir uns gar nicht vor Problemen retten.

Die Begriffe blieben erst recht abstrakt: Rassismus, mangelnder Respekt, Mobbing, Vorurteile. Doch wie lösen? Ratschläge gab es zuhauf. Doch wir wollen Lösungen – konkrete und damit umsetzbare Aktionen.

Wir bildeten Teams. Es ging darum, die Begriffe erlebbar und damit konkreter zu machen. Wir stellten Fragen:

• In welchen Situationen hast du Rassismus erlebt?

• Wann war ein Moment ohne Respekt?

• Wie fühlen sich Vorurteile an?

Man merkte sofort mit wieviel Überzeugung und Feuer die Schüler diese Themen angingen. Die Schülergruppen selbst bestanden aus unterschiedlichen Kulturen und Herkunft. Sie erzählen ihr Erlebtes. Sie leben die Mannheimer Erklärung bereits – doch ohne es zu betiteln.

Nachdem die Gruppen die abstrakten Begriffe mit konkreten Situationen für sich greifbarer gemacht haben, schauten wir uns die Personas an. Wer ist an solch einer Situation beteiligt? Wie fühlen sich beide?

Noch war Unglaube, wie denn aus diesen losen Ideen und Erlebnissen nun Lösungen werden sollten? Wir riefen sie auf, dem Prozess zu vertrauen. Und sich. Und nun kamen unsere Methoden zum Einsatz: Design Thinking, MVPs, Lean StartUp, Umfragen, Personas, Blue Ocean Strategy, Ideation und das Pitchen. Wo es passte gaben wir ihnen die Methoden an die Hand.

Dann geschah etwas Wunderbares. Die Schüler lösten ihre Hemmungen. Sie fingen an diese konkreten Situationen zu beschreiben und sich konkrete Maßnahmen zur Lösung zu überlegen. Sie wuchsen über sich hinaus.

Sie erarbeiten das Problem, die Lösung und die Funktionsweise der Lösung. Die Teams erarbeiteten verschiedene Lösungen. Diese sind:

 

Team Future4München – Platz 3

Schüler: Emre Can, Cassandra, Diego, Alex, Osama

Problem: In Mannheim ist zuviel Müll. Wir produzieren zuviel und wir werfen es dann in die Straßen. Die verdreckten Straßen wollen die Schüler nicht mehr hinnehmen.

Was kann man dagegen tun?

Verpackungen wiederverwenden, verpackungsfreie Läden in Mannheim umsetzen oder Supermärkte darin unterstützen, dass sie weniger Verpackungen anbieten.

Eine Idee für die müllsensible Community ist es regelmäßig Aktionen anzubieten und durchzuführen, bei denen die Menschen ihre Stadt reinigen und den Müll aufsammeln. Plakate und eine App weisen auf diese Aktionen hin. Über die App lassen sich die Teilnehmer organisieren.

Die konkrete Lösung ist: Die Schüler stellen sich Mülleimer vor, die Personen, die Müll hineinwerfen, mit einem WLAN-Code für 30 Minuten erfreuen. Ein Anreiz, der v.a. junge Menschen anspricht, die für freies WLAN auch gerne mal 3 Stunden im McDonalds verbringen (Angabe des Teams).

Dazu kann man sich mit seinem Handy in ein WLAN Netz einwählen und wenn man eine gewisse Menge Müll in den Mülleimer wirft, werden 30 Minuten frei geschaltet.

Team Kennenlernkärtchen gegen Vorurteile

Schüler: Emely, Nadine

Das Problem ist: Vorurteile schaden und schaffen Grenzen. Außerdem fühlen sich die Menschen sehr schlecht, denen Vorurteile entgegengebracht werden. Man bewertet sie ohne sie zu kennen. Um diese Distanz aufzulösen hilft, dass man sich besser kennenlernt.

Dazu haben sich die beiden Mädchen überlegt, dass in jeder Klasse ihrer Schule eine Kennenlernpinnwand mit Steckbriefen aller Schüler aus der Klasse hängen soll.

Zu Beginn jedes Schuljahres füllen die Schüler einer Klasse diese aus. Darin abgefragt sind nicht nur Name, Alter und Herkunft, sondern auch welche Hobbies, Besonderheiten und Lieblingsthemen man hat. Diese Kärtchen werden auf einer Wand befestigt. Diese Kennenlernkärtchen können auch klassenübergreifend in der ganzen Schule genutzt und ausgetauscht werden. So profitieren auch schüchterne Schüler.

Team Jugendtreff

Schüler: Younes, David, Ahmed

Das Problem ist, dass es zu wenige Jugendhäuser gibt und zu viele gelangweilte Jugendliche. Was auch problematisch ist, dass man nicht immer rein kann und auch nicht jedes Alter rein darf.

Das wollen die Jungs ändern. Dazu haben sie sich einen Jugendtreff überlegt, der diese Bedürfnisse stillt. Fußball, Boxen und Chillen dürfen natürlich nicht fehlen. Gemeinsames Essen und Kochen inklusive.

Wichtig sind auch die Öffnungszeiten. V.a. in den Ferien, am Wochenende auch mal abends soll der Jugendtreff geöffnet sein und so den Schülern die Möglichkeit bieten, anderen zu begegnen und sich dort auszutoben. Außerdem ist jeder Jugendliche willkommen.

Team Friedenspark

Schüler: Natalia, Laura, Selina, Loujain

Die Mädchen dulden kein respektloses Verhalten von Menschen.

Sie wollen, dass Menschen sich begegnen und somit auch die Anonymität abnimmt. Und wen man kennt, zu dem verhält man sich automatisch höflicher.

Dazu wollen die Schülerinnen im Friedenspark eine Begegnungsstätte bauen, an dessen Tisch unterschiedliche Menschen Platz nehmen können. Um Gleichgesinnte zu treffen füllen die interessierten Bürger ein Kärtchen mit folgenden Angaben aus: Name, Hobby, Sprache, Email. Jeder, der das liest, kann somit der anderen – noch unbekannten Person schreiben und sich verabreden. Es erwartet beide dann ein Gespräch, indem man für einen Moment am Leben des anderen teilnimmt.

Projekt Schönster Tag im Monat

Schüler: Salomé, Karolina, Ruzica, Rojin

Das Problem ist, dass Menschen aufgrund ihres Aussehens beurteilt werden. Eine Schülerin erzählte, dass man ihr nachsagt, sie wirke arrogant – bis man sie kennenlernt.

Gleichzeitig liegt der Fokus meist auf Sachen, die nicht schön sind. Doch was wäre, wenn man sich auf das fokussieren würde, was einem gefällt? Und das als Gemeinschaft, in der man nicht auf Äußerlichkeiten reduziert wird.

Deswegen haben die Schülerinnen die Box „Schönster Tag“ erschaffen.

Es gibt dabei zwei Arten von Karten: Zum einen schreiben die Schüler einer Klasse auf, was sie machen wollen, stecken es in die Box und (un)regelmäßig wird ein Kärtchen gezogen und umgesetzt, was draufsteht. Zum anderen gibt es Mottokarten, die Gemeinschaft und positive Gefühle erzeugen sollen.

Diese sind u.a.: Am nächsten Schultag ziehen sich alle Schüler (und Lehrer) rot an, baut zusammen den größten Turm mit Bausteinen oder aber der Name eines Schülers wird gezogen – diese Person bekommt an diesem Tag von jedem Mitschüler ein Kompliment.

Team International Festival

Schüler: Rinesa, Duygu, Aleyna, Anji, Zeynep

Das Problem, das die Schülerinnen hier angehen wollen, ist Rassismus. Sie wollen besonders viele Schüler erreichen, die gemeinsam ein Festival organisieren und so eine Gelegenheit schaffen, an dem man sich unbekümmert kennenlernen kann und ein gemeinsames Erlebnis schafft. Außerdem sieht man, wie reich eine Kultur ist. Denn auf diesem Festival bringt jeder ein, was er aus seiner Herkunft kennt.

Dazu wollen sie sich mit anderen Schulen zusammenschließen und gemeinsam ein Festival organisieren. So kümmert sich eine Schule, um die Essensbeschaffung, eine andere um die Getränke, wiederum eine um die TShirts, eine andere um die Deko, eine um das Marketing. Durch die Partizipation vieler Schüler und Schulen geht man davon aus, dass auch besonders viele Schüler und Freunde zum Festival kommen werden. Was wiederum verbessert, dass viele Schüler ein gemeinsames Event zusammen teilen und anstatt Scheu Nähe entsteht.

Team We are one – Platz 2

Schüler: Ioanna, Dragana, Solmaz, Zeynep, Mariela, Aysel

Obdachlose fühlen sich oft ausgegrenzt und nicht Teil der Gemeinschaft. Zusätzlich fehlen ihnen die Möglichkeiten ein würdiges Leben zu (er)leben. Sie essen, was es gibt, nicht, was sie wollen. Friseurtermine und Wellness sind per se. Gespräche mit Menschen, die nicht wohnungslos sind sind auch eher rar.

Deswegen will dieses Team zweimal einen Tag im Jahr gestalten, an dem im Tandem (Schüler und obdachlose Person) zwei Personen einen gemeinsamen Tag genießen. Sie gehen ins Schwimmbad zu Schwimmen, 3-4mal Essen in guten Lokalen (Frühstück, Mittag – evtl. Kaffee und Kuchen und Abendessen), einen Friseurbesuch, Kino und was das Herz sonst begehrt. Dabei geht es auch darum, den Tag mit der anderen Person zu teilen, sich zu unterhalten und so eventuell vorhandene Vorurteile abzubauen.

Team Musikstudio:

Schüler: Salvatore, Vukasin, Ignazio

Ausgrenzung wegen Aussehen, Herkunft, etc. ist nicht gut für eine Gesellschaft. Diese Schüler wollen Integration mit einer universellen Sprache schaffen – Musik.

Wo miteinander musiziert wird, da ist der Fokus auf dem, was gemeinsam geschaffen wird. Unterschiede geraten so in den Hintergrund.

Neue Kompositionen, die verschiedene Lieder miteinander verweben, werden Brücken zwischen Kulturen geschaffen. An diesem Musikschule können Menschen unterschiedlicher Kultur und Alters miteinander komponieren, musizieren und auftreten.

Team ourcity – Platz 1

Schüler: Kostas, Claudia, Alexandro, Nikita, Robert

Mobbing aufgrund von Aussehen, Alter und Herkunft ist ein weitverbreitetes Thema in Schulen. Die Schüler fühlen sich auf beiden Seiten schlecht, der, der mobbt und der, der gemobbt wird.

Die Lösung dieser Gruppe ist eine App mit einem Augmented Reality-Spiel a la Pokemon to go für ihre Schule – man baut seine Stadt. Um zu spielen erstellt man ein Profil. Bei jedem Login werden Fragen gestellt, wie z.B. Wo reist du zum Urlaub gerne hin? Was ist dein Lieblingsgericht? u.v.m. Wenn die Antworten mit einem anderen Spieler matchen, dann wird man mit ihm verbunden und merkt auf einmal, dass man sich gar nicht so fremd ist.

Denkbar sind auch gemeinsame Challenges, in denen das Wir-Gefühl gestärkt wird.

Das Ganze kann auf die Stadt Mannheim ausgeweitet werden und als Stadt-Spiel für die Bürger und Touristen angeboten werden – Infos zu Mannheims Geschichte und Sehenswürdigkeiten inklusive.

Die Jury hatte keinen einfachen Job. Nach einer Viertelstunde kam sie raus und hatte für jeden ein wertschätzendes Wort, denn die Ideen haben überzeugt. Die Jury bestand aus

• Sylvia Löffler von der Stadt Mannheim. Sie ist für die Mannheimer Erklärung und Projekte zur Integration zuständig.

• Sven Birkner ist Berater für StartUps und Unternehmensgründungen in der VR Bank Mannheim

• Maurice Nickeleit ist Community Manager im Co-Working bauteil.b im MAFINEX

• Katrin van Skyhawk ist Lehrerin an der K5 Schule in Mannheim

3 Ideen waren die Favoriten.

Fazit

Die Schüler haben mit Herz, Hirn und Rückgrat diverse Lösungen für ein toleranteres und lebenswerteres Mannheim entwickelt – und das auch noch in kürzester Zeit. Anfangs sind sie noch unsicher, sind in der Erwartung, dass ihnen der „Stoff“ zugetragen wird. Doch sie merken durch unsere Fragen und Methoden, dass es v.a. eines braucht – sich. Es geht um ihr Leben, ihre Gedanken und ihre Wünsche. Wir sind nur schmuckes Beiwerk, damit sie nicht allein sind, wenn sie uns brauchen. Nebenbei bekommen sie noch beigebracht, wie man an abstrakte Problemstellungen herangeht und was sie in nur 270 Minuten schaffen können. Beeindruckend waren auch die Pitches, an den sie sich trauten ihre Ideen zu präsentieren – und die Mitschüler hörten gespannt zu.

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Während die Jury sich zurückzog fragten wir nach, was es braucht, damit mehr Jugendliche sich aktiv an der Mannheimer Erklärung beteiligen.

Die Antworten waren eindeutig:

• Es braucht mehr Raum und Zeit in der Schule. Es fehlt die Möglichkeit, sich darüber auszutauschen und reinzudenken.

• Sie wollen Spaß haben, daran zu partizipieren.

• Und sie wollen sehen, dass sie mitentscheiden können, denn sie wollen ihre Wirkung sehen. Auch sie wollen wertgeschätzt und gesehen werden.

Konkret schlugen die Schüler vor, dass sie Personen der Stadt Mannheim, die sich mit der Mannheimer Erklärung beschäftigen, zu einem der schon stattfindenden Gespräche über Themen wie Rassismus, Mobbing, etc. einladen wollen.

Tipp von den Next Entrepreneurs: Wie bei der Firma lush könnten die umgesetzten Maßnahmen mit den Namen der partizipierten Schüler versehen werden (z.B. bei einem Gebäude, werden diese dort mitgeehrt. Oder auf der Website der Mannheimer Erklärung.